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Zuarbeit zur Beurteilung der Frage, ob es sinnvoll und tierschutzgerecht ist, die als „Kaltwasserfische“ im Zoofachhandel gehaltenen Fische im Sommer zu kühlen.

Autor: Dr. Stefan K. Hetz, Fachreferent Heimtiere, Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe, Wiesbaden, hetz@zzf.de

Grund der Zuarbeit

Anfrage aus einem Zoofachmarkt: Welches Vorgehen ist am besten beim Umsetzen für Gartenteichfische im Bezug auf die Temperaturen?

Einleitung

Fische sind sogenannte ektotherme Lebewesen. Sie nehmen also die Temperatur ihrer Umgebung, des Wassers, an. Da sich die Wassertemperatur mit den Jahreszeiten teilweise erheblich ändert (Nentwig et al. 2017), ändert sich auch die Körpertemperatur der Fische, die somit laut Definition auch wechselwarm (poikilotherm) sind.

Die jährlichen Temperaturunterschiede in den natürlichen (Flüsse, Teiche, Seen) und künstlichen (Gartenteiche) Wasserkörpern sind umso größer, je weiter die Lebensräume vom Äquator in Richtung Norden und Süden entfernt sind (Pfadenhauer und Klötzli 2014). In den Bereichen nördlich des 45 bis 50 Breitengrad kommt es zudem zum Zufrieren von Gewässern. Die Minimaltemperaturen bewegen sich hier um 4°C im Winter unter Eis. Im Sommer können die Temperaturen im Wasser tagsüber bis zu 35°C erreichen. Fische, die in diesen Breiten vorkommen, zeigen minimale und maximale letal Temperaturen, die zum Teil noch außerhalb dieser Temperaturbereiche (im obigen Beispiel 4 bis 35°C) liegen (Beitinger et al. 2000; Ford und Beitinger 2005). Die im allgemeinen Sprachgebrauch als „Kaltwasserfische“ bezeichneten Arten vertragen sogar bisweilen höhere Temperaturen als tropische Arten (Beitinger et al. 2000). Dazu kommen noch zum Teil größere tagesperiodische Schwankungen der Temperatur, die in einigen Biotopen erheblich sein können (Podrabsky und Somero 2004).

Interessanterweise hat die jeweilige Haltungstemperatur einen Einfluss auf die minimale und maximale Temperaturtoleranz. Je kühler die Fische gehalten werden, desto aktiver sind sie bei noch kälteren Temperaturen. Je wärmer die Tiere gehalten werden, desto besser kommen sie mit noch höheren Temperaturen klar (Atnashev 1989; Beitinger und Bennett 2000). In der Wissenschaft trägt man solche Ergebnisse in Diagramme ein, die ein „Toleranz-Polygon“ umspannen (Hildebrandt et al. 2015). Je größer dessen Fläche ist, desto besser ist die Temperaturadaptation ausgeprägt (Beitinger et al. 2000; Beitinger und Bennett 2000). Tropische Arten zeigen vergleichsweise geringe Adaptationsmöglichkeiten, was nicht wundert, wenn man berücksichtigt, dass die Temperaturen das ganze Jahr über nur wenig schwanken (Marshall et al. 2011).

Diese hohen Temperaturen im Sommer werden von den Fischen nicht nur toleriert, sondern teilweise auch aktiv aufgesucht, wie Besitzer von Gartenteichen beobachten können. Wenn man die Vorzugstemperaturen von Fischen experimentell bestimmen möchte, würde man diese in ein Aquarium setzen welches einen definierten Temperaturgradienten (zumindest zeitweise für die Dauer des Versuchs) aufrechterhält, und nach einer gewissen Zeit den Aufenthaltsort (und somit die Temperatur) des Fisches bestimmen (Cincotta und Stauffer 1984; Jobling 1981). Interessanterweise zeigen Fische die in Europa als „Kaltwasserfische“ bezeichnet werden, eine deutliche Präferenz für höhere Temperaturen. Im Beispiel eines Karpfens liegt diese bei 22 bis 28°C (Machado et al. 2017), also fast so hoch wie bei tropischen Skalaren (Perez et al. 2003). Echte Kaltwasserfische, wie z.B. Forellen, Lachse oder andere Salmoniden mit niedrigeren „Präferenztemperaturen“ dürften in Gartenteichen extrem selten sein, eher gar nicht vorkommen (Chadwick und McCormick 2017; Chadwick, J.G., Jr. et al. 2015; McCauley et al. 1977; Rowe und Chisnall 1995). Es wäre deshalb auch besser, die im Gartenteich gehaltenen „Kaltwasserfische“ als eurytherme Fische zu bezeichnen.

Temperaturanpassung

Ein wichtiges Charakteristikum der Temperaturadaptation bei Fischen ist die Tatsache, dass die Stoffwechselrate die sich nach der RGT-Regel bei einer Temperaturerhöhung um 10 °C um den Faktor 2 bis 3 erhöhen würde (Crawshaw 1976; Kanungo und Prosser 1959), an die erhöhten Temperaturen anpassen kann und nach erfolgter vollständiger Temperaturerhöhung wieder kompensatorisch abgesenkt wird . Auf diese Weise schaffen es Fische, ihren Energie- und somit Sauerstoffbedarf in weiten Bereichen an erhöhte und erniedrigte Temperaturen anzupassen. Diese Anpassungen liegen vor allem im Bereich der Aktivität von Enzymen und der Sauerstoffverfügbarkeit im Organismus. Bei hohen Temperaturen nimmt die Sauerstoffverfügbarkeit im Umgebungswasser im geringen Maße ab, während der unkompensierte Sauerstoffverbrauch von Fischen extrem stark ansteigen würde. Durch die Temperaturkompensation wird auch bei hohen Temperaturen der Sauerstoffbedarf wieder abgesenkt, was dem Fisch zugutekommt.

Die biochemische Adaptation an verschiedene Temperaturen erfolgt innerhalb weniger Tage (als Faustregel gilt: ca. eine Woche). Physiologisch werden vor allem Zellmembranbestandteile, Lipide und Enzyme an die neuen Temperaturen angepasst (Albers et al. 1983; Becker et al. 1992; Colosimo et al. 2003; Cossins 1977; Johns und Somero 2004; Wodtke 1981). Diese vergleichsweise langsam ablaufende Temperaturadaptation ist möglicherweise dadurch begründet, dass Wasser mit seiner hohen Wärmekapazität selbst bei sehr starken Schwankungen der Umgebungs- (bzw. der Lufttemperatur) thermisch nur sehr träge reagiert und sich entsprechend langsam erwärmt oder abkühlt. Diese Erwärmungs- und Abkühlungsraten hängen natürlich auch von der Größe des Gewässers bzw. seine Fläche ab, über die ein Wärmeaustausch mit der Umgebung erfolgt. Gartenteiche mit einem Volumen von ungefähr fünf Kubikmetern bzw. 5000 Liter reagieren entsprechend träge, größere Gartenteiche ggf. noch deutlich träger. In tiefen Gartenteichen kann, wenn kein zu starker Wind das Wasser zu stark bewegt, die Temperatur in tieferen Schichten geringer sein, was es den Fischen erlaubt, kühleres Wasser aufzusuchen.

Diskussion

Würde man nun einen Fisch der längere Zeit bei 20°C gehalten wird in einen Gartenteich einsetzen, dessen Temperatur bei 30 °C oder sogar noch höher liegt, so könnte es aufgrund der schnellen Temperaturveränderung zu einer starken Verringerung der Sauerstoffverfügbarkeit kommen, die der Fisch nicht innerhalb genügend kurzer Zeit kompensieren kann. Es soll hier nur kurz angemerkt werden, dass auch eine langsame Temperaturangleichung beim Einsetzen viel zu kurz ist, um eine vollständige physiologische Adaptation an höhere oder niedrigere Temperaturen zu gewährleisten! Temperaturunterschiede bis 5°C sollten jedoch keinem Fisch etwas ausmachen. Die obigen Hinweise gelten natürlich nicht für das Einsetzen von Fischen aus wärmeren in kühlere Gewässer. Hier dürfen die Fische nicht aus einer temperierten Haltungsanlage mit 20°C in einen Gartenteich mit 5°C umgesetzt werden! Auch hier sollten die Temperaturänderungen möglichst unter 10°C bleiben.

Fazit

Aufgrund der geschilderten physiologischen Vorgänge empfehlen wir, die Temperaturen eurythermer Fischarten auch im Frühjahr und Sommer in den Haltungseinheiten entsprechend den Außentemperaturen anzuheben oder zumindest nicht nach unten zu korrigieren, damit beim Umsetzen in einen möglicherweise wärmeren Teich nicht zur Überlastung des Stoffwechsels der neu eingesetzten Fische kommt.

Literaturquellen

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Atnashev, V. B. (1989): Temperature tolerance of fish at various environmental temperatures. Hydrobiol. J. 25 (2): 55–58.

Becker, K., Meyerburgdorff, K. und Focken, U. (1992): Temperature induced metabolic costs in carp, Cyprinus-carpio l, during warm and cold acclimatization. Journal of Applied Ichthyology-zeitschrift Fur Angewandte Ichthyologie 8 1-4: 10–20.

Beitinger, T. L. und Bennett, W. A. (2000): Quantification of the role of acclimation temperature in temperature tolerance of fishes. Environ. Biol. Fish. 58 (3): 277–288.

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