Zwischen sechs und acht Stunden Schlaf benötigen die meisten erwachsenen Menschen, um leistungsfähig und gesund zu bleiben. Im Zusammenleben mit Heimvögeln wird der damit einhergehende Rhythmus häufig auf die Tiere übertragen. Das kann zu Problemen führen, denn Vögel haben andere Schlafbedürfnisse als wir Menschen.
Die meisten in der Heimvogelhaltung weit verbreiteten Vogelarten stammen von fernen Kontinenten. Dort herrschen teils erheblich andere klimatische Bedingungen als in Mitteleuropa, und auch die Tageslichtdauer unterscheidet sich. Vogelarten, die in den tropischen Regionen in Äquatornähe leben, sind an einen nahezu zwölf Stunden dauernden Tag angepasst und schlafen nachts für gewöhnlich mindestens zehn, oft sogar fast zwölf Stunden.
Zudem haben zahlreiche Heimvogelarten ihren Ursprung in Australien. Dieser Kontinent ist so groß, dass dort die Tageslängen je nach Breitengrad unterschiedlich sind. Die weit südlich gelegenen Bereiche haben dabei stärkere Variationen als die nördlich gelegenen, die sich näher am Äquator befinden. Für den Großteil der australischen Vogelarten gilt aber, dass sie nachts rund zehn Stunden schlafen.
Damit wird offensichtlich: Zwischen der natürlichen nächtlichen Schlafdauer der Vögel und derjenigen der Menschen klafft eine Lücke von durchschnittlich etwa zwei Stunden. Zwar können sich viele Vögel in menschlicher Obhut bis zu einem gewissen Grad daran gewöhnen, doch ist das nicht für alle Individuen gleichermaßen leicht und es können sich Probleme ergeben.
Strikte Ruhe ist wichtig
Vor allem wenn es hierzulande im Sommer abends lange hell ist und die Sonne morgens sehr früh aufgeht, bekommen viele Heimvögel zu wenig Nachtruhe. Sie gleichen dies oftmals aus, indem sie in den heißen Mittagsstunden ausgedehnte Ruhephasen einlegen. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass solche „Siestas“ bei den meisten Vogelarten generell normal sind. Ihre wilden Verwandten im ursprünglichen Lebensraum halten diese Mittagsruhe zusätzlich zur langen Nachtruhe ein.
Als Beispiel seien die Wellensittiche aus Australien genannt. Sie leben überwiegend in Regionen, in denen es tagsüber ausgesprochen heiß wird. Deshalb verbringen sie die Mittagsstunden häufig in Bäumen rastend und dösen dort einige Zeit oder halten gar einen Mittagsschlaf. Dieser ist für Heimvögel somit wichtig, aber auch er wird oft gestört, weil beispielsweise die Kinder von der Schule nach Hause kommen und mit den Tieren spielen möchten, während deren Biorhythmus eigentlich gerade auf „Ruhemodus“ eingestellt ist. Ihre Mittagsruhe zu stören, ist grundsätzlich nicht empfehlenswert.
Dasselbe gilt für die Nachtruhe. Es kann helfen, die Tiere in ihrem Käfig abends ab etwa 20 Uhr in einen ruhigen Raum zu bringen, der abgedunkelt werden kann. So haben die Vögel sogar im Sommer die Möglichkeit, ausreichend Nachtschlaf zu erhalten. Werden Vögel im Wohnzimmer gehalten, reicht es in aller Regel nicht aus, abends ein Tuch über den Käfig zu legen, während der Raum noch erleuchtet ist oder gar der Fernseher läuft, Musik gehört wird oder Unterhaltungen stattfinden. Das durch das Tuch in den Käfig dringende Licht sowie die Geräusche führen dazu, dass die Vögel nicht tief schlafen, sondern allenfalls dösen. Mit echtem Nachtschlaf ist das nicht zu vergleichen und auf die Dauer zu wenig erholsam für die Tiere.
Probleme durch Schlafmangel
Von Menschen ist bekannt, dass Schlafentzug oder -mangel das Immunsystem schwächen kann. Ähnlich verhält es sich bei Heimvögeln. Hinzu kommt, dass sie wie wir Menschen gereizt sein können, wenn sie übermüdet sind. Das Zusammenleben mit Artgenossen wird dadurch unter Umständen getrübt, weil diese als „Ventile“ für aufgestauten „Druck“ herhalten müssen. Das kann sogar so weit gehen, dass ein müder Vogel, der gerade ein wenig Ruhe haben möchte, einen Artgenossen heftig beißt, wenn sich dieser ihm einfach nur nähert.
Ist der chronische Schlafmangel stark ausgeprägt, treten mitunter Verhaltensauffälligkeiten auf. Manche Vögel putzen ihr Gefieder übermäßig stark oder beginnen damit, sich Federn auszureißen, weil sie ständig gestresst sind. Andere zeigen nervöse Ticks wie Zuckungen in den Füßen. Oft hängen diese mit einem Vitamin-B-Mangel zusammen. Weil der Körper unter Stress mehr Vitamin B benötigt, und chronischer Schlafmangel bedeutet Stress für den Organismus, reicht die mit der Nahrung aufgenommene Vitaminmenge bei manchen Vögeln nicht aus, um den Bedarf zu decken. In einem solchen Fall einfach die Vitaminzufuhr zu erhöhen, wäre zu kurz gedacht. Entscheidend ist, das Grundproblem zu lösen und den chronischen Schlafmangel zu verhindern.
Licht und Hormone
Etliche Vogelarten reagieren auf viel Licht oder eine lange Beleuchtungsdauer mit einer erhöhten Hormonproduktion. Das ist beispielsweise bei Wellensittichmännchen häufig zu beobachten. Aus diesem Grunde geraten ihre Hormone oft Winter regelrecht in Wallung, wenn sehr lange künstliches Licht im Haus eingeschaltet ist. Wenn ein auf diese Weise hormonell stark angeregtes Männchen seine Partnerin permanent umwirbt, gerät diese ebenfalls in Brutstimmung. Daher rührt es, dass viele Wellensittiche, aber auch andere Vogelarten wie Nymphensittiche im Winter häufig Eier legen und zur Brut schreiten möchten.
Das kann sogar so weit gehen, dass die Männchen extrem mit Hormonen „überflutet“ sind und ihren Partnerinnen keine ruhige Minute lassen. Sie bedrängen sie ständig mit Paarungsverhalten und -versuchen. Ihre teils ins Extreme gesteigerte Brutstimmung bedeutet für die Vögel also enormen Stress. Damit sich die Situation wieder beruhigen kann, ist eine strikte Nachtruhedauer von mindestens zehn oder besser zwölf Stunden hilfreich. Außerdem empfiehlt es sich, einen vogelkundigen Tierarzt um Rat zu fragen und gegebenenfalls die Ernährung der Vögel anzupassen. Denn auch die Futterauswahl kann den Hormonstatus und damit die Brutwilligkeit maßgeblich beeinflussen.