Der Sommer naht und die sich jährliche wiederholende Diskussion um die Sommerschur kommt wieder auf. „Die Sommerschur macht das Fell kaputt“, sagen die einen, „Sie tut dem Hund gut“ sagen die anderen. Und was stimmt nun wirklich? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Auch gibt es hierzu keine wissenschaftlichen Belege.
Thematisiert wird die Sommerschur in Bezug auf Hunde mit zweischichtigem Fell, deren Fell aus Unterwolle und Deckhaar besteht. Hunde mit einschichtigem Fell gehören oft zu den kurzhaarigen Rassen, wie beispielsweise Dobermann, Dalmatiner oder Weimaraner. Bei diesen Felltypen gibt es kein Fell zum Abscheren. Auch Rassen, die sowieso regelmäßig geschnitten werden, wie Pudel, Bichon Frisé, Yorkshire Terrier, haben in der Regel einschichtiges Fell und sind daher weniger von der Sommerschur betroffen.
Diskussionsmittelpunkt sind Hunde in Kombination mit kurzem bis mittellangem Deckhaar und Unterwolle, wie Golden Retriever, Labrador, Berner Sennenhund, Neufundländer, Schäferhund uvm. Zudem gibt es eine Vielzahl an Hunden mit zweischichtigem Fell, über die weniger diskutiert wird, die aber genauso betroffen sind, wie Tibet Terrier, Lhasa Apso, Bearded Collie, Pon, Bobtail und Shi-Tzu, um nur ein paar zu nennen. Diese Hunde haben langes, festes Deckhaar und Unterwolle, werden aber trotzdem oft regelmäßig geschnitten oder geschoren.
Grundsätzlich ist ein gesunder und intakter, unkastrierter Hund in der Lage, die Fellbeschaffenheit seiner Lebenssituation anzupassen und – je nach Klima – Unterwolle abzustoßen oder aufzubauen. Gesunde Hunde mit zweischichtigem Fell benötigen – je nach Felllänge – in der Regel menschliche Unterstützung nur, um abgestorbene Unterwolle loszuwerden. Sie müssen daher regelmäßig gebürstet werden. Denn nur gepflegtes Fell kann der Aufgabe zur Thermoregulierung optimal nachkommen.
In unserer heutigen Zeit sind allerdings wenige Hunde wirklich gesund und intakt. Chronisch kranke und alte Hunde haben einen verlangsamten oder gestörten Stoffwechsel. Unter Stoffwechsel versteht man alle biochemischen Vorgänge, also die Um-, Auf- und Abbauarbeiten, die innerhalb der Zellen ablaufen. Läuft der Stoffwechsel nicht reibungslos, werden Haut und Fell nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt, wodurch Fellwachstum und -wechsel beeinträchtigt werden. Viele Hunde sind kastriert. Eine Kastration wirkt sich nachweislich auf das Haarkleid aus. Wollhaar wird vermehrt gebildet und löst sich gleichzeitig schlechter, denn auch Hormone spielen eine wichtige Rolle im Stoffwechsel.
In diesen Fällen ist das Fell in seiner Funktion bereits irreparabel geschädigt. Während man bei kastrierten und ansonsten gesunden Hunden den Mehraufwand der Fellpflege, wie das langwierigere und engmaschigere Entfernen der Unterwolle, durchaus vertreten kann, sollte dies einem älteren oder kranken Tier erspart bleiben. Das Fell schützt dann zwar weniger vor den unterschiedlichen Witterungsbedingungen, und die Fürsorgepflicht liegt folglich beim Hundehalter, dafür gewinnt der geschorene Hund aber an Lebensqualität, weil ihm durch die Schur Erleichterung in der heißen Jahreszeit verschafft wird.
Scheren bedeutet allerdings nicht, den Hund bis auf die nackte Haut runter zu rasieren. Es sollte immer genügend Fell stehen bleiben, um vor Sonneneinstrahlung oder kühleren Sommernächten zu schützen.
Um zu verstehen, was das Scheren für Auswirkungen auf das Fell hat, muss man den Aufbau von Haut und Haar etwas kennen. Aus einem Haarbalgtrichter der Haut wachsen mehrere Haare büschelförmig. Die Haarbälge, auch Haarfollikel genannt, sind zwar in Gruppen angeordnet, dennoch besitzt jedes Haar eine eigene Wurzel. Aus jedem Haarbalgtrichter entspringt ein Grannenhaar, auch Deckhaar genannt, sowie mehrere Wollhaare, die umgangssprachlich als Unterwolle bezeichnet werden.
Da das Verhältnis von Unterwolle zu Deckhaar je nach Rasse variiert, kann dies zu Schwierigkeiten beim Scheren von Unterwollhunden bzw. beim Nachwachsen des Fells führen. Je mehr Wollhaare im Verhältnis zu einem Deckhaar aus einem Haarbalgtrichter entspringen, desto eher treten Probleme beim Nachwachsen des geschorenen Fells auf. Bei gesunden, intakten Hunden, deren Unterwolle mäßig ausgeprägt ist, wächst geschorenes Fell normal nach, sofern auch das kurz geschorene Fell regelmäßig gepflegt und die Unterwolle weiterhin entfernt wird. Passiert dies trotz regelmäßiger Pflege nicht, liegt in der Regel ein gesundheitliches Problem vor.
Werden Hunde geschoren, die viel oder sehr viel Unterwolle besitzen, wie einige nordische Rassen, ist es schwer möglich, über Pflege das Fell wieder gleichmäßig nachwachsen zu lassen. Denn das eine Deckhaar erstickt quasi unter der Masse an Wollhaaren, die gemeinsam aus einem Haarbalgtrichter ragen. Rassen mit einem hohen Wollhaaranteil sollten daher nicht geschoren werden. Dazu gehören Rassen, wie Pomeranian, Samojede und Husky. Das Abscheren von Hunden mit viel Unterwolle kann das Fell irreparabel zerstören.
Vor dem Scheren von Rassen mit Unterwolle sollte man bedenken, dass es sehr lange dauert, bis ein Deckhaar – bei guter Pflege nach dem Scheren – wieder komplett durchgewachsen ist. In der Regel dauert es in etwa so lange, wie die Entwicklung vom Welpenfell bis zum Erwachsenenfell. Bei Hunden mit viel Wollhaaranteil kann dies folglich bis zu drei Jahre dauern.
Karin Witthohn
Natürlich Hund – Der Hundesalon
Hauptstraße 75
25492 Heist
www.natuerlich-der-hundesalon.de