Ihre Vorfahren lebten schon vor mehr als 200 Millionen Jahren auf der Erde, sie haben Dinosaurier und Eiszeiten überlebt: Als eine der ältesten lebenden Tiergruppen faszinieren Schildkröten – meist Europäische Landschildkröten – viele Tierfreunde. In Deutschland halten 31 Prozent aller Terrarianer eine oder mehrere der Reptilien als Heimtiere.
Schildkröten – nicht schnell, aber schlau
Im Vergleich zu Menschen sind Schildkröten zwar eher gemächlich unterwegs, sie lernen aber erstaunlich schnell. Die Panzerträger haben ein beachtliches Gedächtnis und stark unterschätzte kognitive Fähigkeiten. Das benötigen sie auch im Freiland zur Futter- und Wassersuche. So haben Studien gezeigt, dass sie sich ähnlich geschickt wie Nagetiere orientieren – nur langsamer.
Freigehege: Standort und Einrichtung
Eine artgerechte dauerhafte Haltung von Europäischen Landschildkröten ist nur in Freigehegen möglich. Hier erfährst du, wie du ein naturnahes Freigehege einrichtest, das den Tieren neben Schutz auch viele Anreize zum Erkunden bietet:
Gehege richtig platzieren
Für den richtigen Standort eines Freigeheges gilt: Je windgeschützter und sonniger der Platz ist, umso wohler fühlen sich die aus dem Süden Europas stammenden wärmebedürftigen Tiere. Dabei ist die Morgensonne für die Aufwärmphase am wichtigsten. Legst du das Gehege an der Sonnenseite, also der Südfassade eines Gebäudes an, so kann die gespeicherte Wärme der Fassade als gute „Heizung“ für die gesamte Anlage dienen.
Wie groß das Freigehege sein sollte, hängt davon ab, wie viele Tiere du darin halten möchtest und wie groß die Art oder Unterart als ausgewachsenes Tier wird.
Übrigens: Die Reptilien sollten nach der Winterruhe erst in eine Freilandanlage gesetzt werden, wenn die Temperaturen draußen konstant über 15 Grad liegen.
Absichern des Geheges
Die Umrandung des Freilandgeheges muss etwa 40 Zentimeter hoch und rund 25 Zentimeter tief im Erdreich verankert sein, damit kletter- und buddelfreudige Tiere nicht ausbrechen können. Als Material für die Umrandung können zum Beispiel Holzpalisaden zum Einsatz kommen, optisch sind auch Mauern aus glattem Naturstein attraktiv. Achte, darauf, dass die Begrenzung blickdicht ist, das heißt die Schildkröten sie auch als solche erkennen können. Drahtgitter oder Flechtzäune aus Draht sind ungeeignet, da sich die Tiere daran zwischen den Zehen verletzen können. Die Ecken deckst du am besten mit einem Dreieckbrett ab, um für zusätzlichen Ausbruchsschutz zu sorgen.
Nach Möglichkeit sollte die Anlage oben mit einem Netz oder Gitter abgesichert sein, damit Fressfeinde wie Vögel oder Ratten keine leichte Beute haben.
Gehege einrichten und bepflanzen
Ein Teil des Bodengrundes sollte aus Erde, zum Beispiel Kokoserde, oder Rindenmulch bestehen, in die sich die Tiere gut eingraben können. Kleine Hügel erwärmen sich leicht und werden von den Europäischen Landschildkröten gern für ein Sonnenbad genutzt. In der Übergangszeit ist auch ein kleines Gewächshaus für die wechselwarmen Tiere ideal.
Beispiel für ein Frühbeet für Schildkröten mit Freilauf. Copyright: soli animalis
Als Eiablageplatz solltest du einen in südwestlicher Richtung abfallenden Hügel anlegen. Für die Bepflanzung eignen sich Futterpflanzen wie Löwenzahn oder Wilderdbeeren. Auch Gewürzkräuter wie Sauerampfer oder Rosmarin werden von den Panzertieren mit Vorliebe gefressen. Buschige Pflanzen wie Zwergföhren oder Koniferen, mit deren Hilfe schattige Plätze für die Tiere entstehen, dürfen nicht fehlen. Für den Rückzug bei schlechtem und kaltem Wetter sollte das Gehege über ein trockenes, mit Stroh gefülltes, gut belüftetes Häuschen verfügen.
Abwechslung im Freigehege
Ein naturnah angelegtes Freigehege sollte den Heimtieren neben Verstecken und Unterschlupf viele Anreize zum Erkunden bieten. Du kannst die kognitiven Leistungen der Reptilien zum Beispiel durch eine vielseitige Gestaltung fordern, die du ab und zu variierst. Wurzeln, Äste, Sträucher, Steine und ähnliches Material aus der Natur machen das Gelände im Freien abwechslungsreich und sehr interessant für die Tiere. Außerdem benötigen sie Bereiche, wo sie klettern, graben oder auch baden können. In einem einsturzsicheren Tunnel aus Gehwegplatten oder Korkrinde verstecken sie sich gern.
Artgerecht füttern
Landschildkröten sind Vegetarier, die sich in der Natur fast ausschließlich von faserreichen und energiearmen Pflanzen ernähren, darauf ist ihr Verdauungssystem eingestellt. Neben Grünfutter und Wildkräutern wie Löwenzahn oder Klee benötigen die Tiere viel Rohfaser wie Heu. Früchte und Gemüse hingegen sollten als Leckerbissen maximal einmal pro Woche angeboten werden. Wichtig ist auch Sepiaschale oder andere Kalziumquellen für die Kalziumversorgung. Eine flache Wasserschale oder ein kleines, flaches Badebassin eignen sich als Wasserspender.
Winterstarre
Essentiell für die Gesundheit der Tiere ist eine Winterstarre in den Wintermonaten etwa in einer Überwinterungsbox oder in einem Kühlschrank. Eine sorgfältige tierärztlichen Untersuchung und ggf. vorzeitige Behandlung sind hierfür besonders wichtig.
Die meiste Zeit des Jahres, je nach Gegend von Anfang Mai bis Oktober, fühlen sich Schildkröten im Außengehege wohl. Eine dauerhafte Unterbringung im Terrarium außerhalb dieser Zeiten ist nicht artgerecht, das sollten Halter unbedingt vor der Anschaffung einer Schildkröte bedenken.
Artenschutz beachten
Viele Arten der Landschildkröten sind bei uns artgeschützt; die meisten Arten der Gattung Testudo haben in der Europäischen Union einen Schutzstatus. Wer eine Schildkröte halten möchte, muss darauf achten, dass es sich um ein Exemplar aus europäischer Nachzucht mit den erforderlichen Dokumenten für den legalen Herkunftsnachweis handelt. Einige Arten müssen ab einem bestimmten Gewicht mittels eines Transponders gekennzeichnet sein. Im Zoofachhandel erhältst du alle Informationen über die für ihre Art notwendige Bescheinigung, artenschutzrechtliche Kennzeichnung und Anmeldung bei der Artenschutzbehörde. Außerdem können dich die dortigen Experten umfassend über Haltung, Ernährung und Pflege der Reptilien beraten. Denn ihre Anschaffung muss gut überlegt sein: Als tierische Mitbewohner können einige der als Heimtiere geeigneten Schildkrötenarten bis zu 70 Jahre alt werden.