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4. Fachtagung "Wir Fürs Tier" Berlin 2019

Wir fürs Tier 2019 – Diskussion für den Tierschutz

Der ZZF hatte am 10. April 2019 nach Berlin eingeladen, um mit rund 70 Vertretern aus den Bereichen Tierzucht, Tiermedizin, Tier- und Artenschutz sowie Teilnehmern aus der Heimtierbranche und aus Politik und Verwaltung die Hundehaltung in Deutschland auf den Prüfstand zu stellen und sich über die Vermittlung von Sachkunde auszutauschen.

„Verantwortungsvoll mit Hunden leben“

In dem von Radiomoderator Volker Wieprecht moderierten Themenforum Verantwortungsvoll mit Hunden leben“ diskutierten Experten über die Frage, wie Gefahren durch aggressive Hunde verhindert werden könnten. Die Teilnehmer kamen zu dem Ergebnis, dass sich die Rasselisten nicht bewährt hätten und bundesweit abgeschafft werden sollten. Vielmehr müsse es eine konsequente Regulierung geben, wenn Hundehalter auffällig geworden sind. „Der Mensch macht den Hund“, sagte Mike Ruckelshaus vom Haustierregister TASSO e.V. Der Verein betreibt Europas größtes Haustierregister.

Diana Plange, Landestierschutzbeauftragte von Berlin, erinnerte daran, dass Tiere, die selbst unter den Auswirkungen zuchtbedingter Defekte litten, nicht zur Zucht eingesetzt werden sollten, weil zumindest bei einem Teil  der Nachzucht mit Schäden gerechnet werden müsse, die Schmerzen oder Leiden verursachten und die Tiere kein artgerechtes Verhalten zeigen könnten. Eine solche Zucht sei nach Paragraf 11b TierSchG verboten (Qualzucht).

„Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, was ein Hund braucht. Hundehalter brauchen soziale Kompetenz. Es gilt, ein vernünftiges Mensch-Hund-Team in der Praxis zu bilden“, unterstrich Karin Witthohn, stellvertretende Vorsitzende der ZZF-Fachgruppe Heimtierpflege im Salon.

Der Hundetrainer Gordian Wessels berichtete aus seiner Erfahrung als Inhaber der Hundeschule Tako Bello. „Viele Hundehalter können oftmals einfach nicht richtig mit ihrem Tier kommunizieren. In einer Hundeschule bekommen sie Unterstützung und können den richtigen Umgang mit ihrem Vierbeiner dort erfolgreich lernen.“ Jörg Bartscherer, Geschäftsführer des Verbandes für das deutsche Hundewesen (VDH), betonte: „Halter wählen die Hunde häufig nur nach dem Aussehen aus und stellen nicht die Frage: Kann ich dem Tier gerecht werden, passt es in mein Leben?“

Ein weiteres Thema war die Aufklärungsarbeit. Den richtigen Umgang mit Hunden und die Bedürfnisse der Tiere kennen zu lernen, müsse bereits in der Schule gelehrt werden, forderte Diana Plange, die Landestierschutzbeauftragte von Berlin. Ihr saarländischer Kollege, Dr. Hans-Friedrich Willimzik, sprach sich vehement gegen Spontankäufe bei der Anschaffung aus. Dies sei auch ein adäquates Mittel im Kampf gegen den illegalen Welpenhandel.

Mike Ruckelshaus forderte die Einführung eines Hundeführerscheins. Zudem verwies er im Rahmen der Diskussion auf die Notwendigkeit, dass alle Hunde in Deutschland gekennzeichnet und registriert sein müssten. Darüber waren sich alle Teilnehmer einig. Einigkeit herrschte auch bei der Forderung, bedürftig gewordenen Tierhaltern staatliche Transferleistungen zukommen zu lassen, damit diese ihr Tier behalten könnten.

Zu keiner einheitlichen Auffassung kamen die Tierexperten bei der Frage einer gesetzlichen Regelung zur Sachkunde der Hundehalter und auch, ob eine solche verpflichtend oder freiwillig sein sollte.

„Sachkunde in der Heimtierhaltung“

Im zweiten, parallel stattfindenden Themenforum, sprach die Leiterin der ZZF-Kommunikation, Antje Schreiber, mit Tierexperten über das Thema „Sachkunde in der Heimtierhaltung“. Einige Fachleute stellten zu wenig Sachkunde bei den Haltern von Katzen und Kleinsäugern fest. Die Halter von sogenannten Exoten, insbesondere der Terrarientiere, seien oft versierte Hobbyisten: „Ich staune wie gut im Durchschnitt die Terraristen fachkundig sind“, sagte Dr. Cornelia Rossi-Broy, Vorstandsmitglied im Bundesverband der beamteten Tierärzte.

Dr. Petra Sindern, Vizepräsidentin des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte, hielt eine bessere Aufklärung über die Bedürfnisse der Kleinsäuger zum Beispiel hinsichtlich der Zahnkürzung für nötig. Bei Katzenhaltern fehlten ihrer Ansicht nach dagegen Kenntnisse zur Parasitenbekämpfung und Impfung.

Einen verbindlichen Sachkundenachweis für Tierhalter forderte Dr. Henriette Mackensen vom Deutschen Tierschutzbund: „Wir wollen, dass sich jeder, der sich ein Tier anschafft, vorab informieren muss. Das halten wir für eine Mindesthürde.“ Amtstierärztin Dr. Cornelia Rossi-Broy hielt die Forderung nach einer verpflichtenden Sachkundeprüfung für alle privaten Tierhalter bei den heutigen Vorgaben für unrealistisch.

ZZF-Präsident Norbert Holthenrich befürwortete die Förderung der Sachkunde bei Tierhaltern, bezeichnete jedoch eine verbindliche Prüfung für jeden Tierhalter und die jährlich drei Millionen neuen Heimtierhalter für „nicht umsetzbar“. Zudem sei das Gespräch mit dem Tierhalter nach wie vor am Wichtigsten. Er forderte, dass Anbieter auf Tierbörsen oder Internetplattformen, Sachkunde nachweisen müssten. Er sehe auch, dass sich die Sachkunde im Zoofachhandel deutlich verbessert habe und die beratenden Händler zu einer flächendeckenden Veränderung von Haltungsstandards bei Tierhaltern beigetragen haben.

Als Lösungsansatz nannten alle fünf Experten eine frühzeitige Vermittlung von Sachkunde im Schulunterricht.

10 APR 2019, BERLIN/GERMANY:
4. Fachtagung der Heimtierbranche "Wir fürs Tier!", Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe e.V., ZZF, Hotel Schweizer Hof
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Dr. Markus Monzel, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT), schlug einen „Heimtier-Wahlomat – welches Heimtier eignet sich für mich?“ als hilfreiches Tool für die Aufklärung vor der Anschaffung von Heimtieren und gegen Spontankäufe vor. Popup-Fenster mit Infotexten in Online-Portalen hielten alle Experten für nicht ausreichend. Dennoch müsse Wissen im Einklang mit der aktuellen Lebenswirklichkeit der Menschen im digitalen Zeitalter vermittelt werden.

Zudem waren sich die Teilnehmer einig: Jede tiervermittelnde Stelle solle stärker in die Pflicht genommen werden, ihre Sachkunde nachzuweisen. Norbert Holthenrich trat für eine bundeseinheitliche Regelung der Sachkundeprüfung nach §11 Tierschutzgesetz ein.

Dr. Cornelia Rossi-Broy betonte in diesem Zusammenhang: „Die Umsetzung der Sachkunde ist gelebter Tierschutz.“

Für ein konkretes Konzept für Verkäufer im Zoofachhandel machte sich Dr. Markus Monzel in der Diskussion stark und nannte Fortbildung ein „Qualitätsmerkmal“. Es müsse eine einfache und transparente Vermittlung erfolgen in Kombination mit prägnanten Erklärungen am Regal, was das richtige Sortiment bzw. Zubehör für die jeweiligen Tiere sei. „Der Wissenstransfer zwischen Zoofachhandel und Züchterverbänden könnte weiter vertieft werden“, empfahl er.

Viele Teilnehmer würdigten die „Wir fürs Tier“-Tagung als interessante Plattform
für einen übergreifenden Austausch.